Kreis Höxter (red). Das Dorf hat Zukunft und das hat viele Gründe, denn dörflicher Zusammenhalt und eine starke Kultur, sich zu engagieren, sorgen für ein soziales Miteinander. Gleichwohl stehen ländliche Räume wie die Kreise Lippe und Höxter vor besonderen gesellschaftlichen Herausforderungen, um ihre Zukunft zu sichern. Die Digitalisierung bietet hierbei große Chancen, strukturelle Defizite auszugleichen und die Lebensqualität gerade in Dörfern zu erhöhen. Genau hier hat vor drei Jahren das Projekt Smart Country Side (SCS) angesetzt. Bedarfsgerechte und nutzerfreundliche Lösungen waren gefragt, bei deren Ausarbeitung und Anwendung die Bürger vor Ort frühzeitig eingebunden waren. Dass dies gelungen ist, zeigten die Verantwortlichen in einer gemeinsamen Abschlussveranstaltung in Brakelsiek, an der neben Landräten und Bürgermeistern mehr als 120 Vertreter der beteiligten Ortschaften teilnahmen. „Wir haben es geschafft, mit dem Projekt gezielt neue Impulse für das Leben in unseren Dörfern zu setzen und sind stolz auf die Ergebnisse, die wir gemeinsam mit den Ehrenamtlichen erreicht haben“, berichtete der Landrat des Kreises Lippe, Dr. Axel Lehmann in seinem Grußwort. „Durch ’Smart Country Side‘ ist es uns gelungen, deutschlandweit als Vorreiter vorwegzugehen“. Nicht nur für die 25 beteiligten Ortschaften ist das Projekt ein Gewinn: „Durch die modellhafte Entwicklung von Lösungen kann deutschlandweit der ländlichen Raum von den Ergebnissen profitieren“, freute sich auch der Landrat des Kreises Höxter, Friedhelm Spieker über den Erfolg des Leuchtturmprojekts. Die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen wurden in der Abschlussveranstaltung öffentlich präsentiert. Dass gerade Digitalisierung und soziale Innovationen dabei helfen können, ländlich geprägte Räume lebenswert und zukunftsfähig zu gestalten, zeigte auch Dr. Ariane Sept vom Leibniz-Institut für raumbezogene Sozialforschung (IRS) in ihrem Impulsvortag auf. Die Projektergebnisse von Smart Country Side konkretisieren diesen Ansatz. So wurden in allen Modelldörfern erfolgreich der „DorfFunk“ und die Dorf- beziehungsweise Gemeindewebseiten eingeführt. Dabei soll die DorfFunk-App die dörfliche Gemeinschaft unterstützen und helfen, die Kommunikation im Dorf zu fördern.
Im Projekt Smart Country Side wurde viel erreicht: Mittels bedarfsgerechter Medienausstattungen, beispielweise Smart Panel, Laptop, Beamer oder Tablets, wurde die technische Grundlage für weitere Umsetzungsprojekte im Kreis Lippe gelegt. Damit beispielsweise der lippische Modellort Bega in der Jugendarbeit neue Wege gehen kann, wurde eine Drohne angeschafft. Jugendliche sollen sich durch gemeinsames Engagement und Freude an der Technik wieder für das Dorfleben begeistern und engagieren. Generationsübergreifend folgen nun spannende Videos aus der Vogelperspektive. In Lipperreihe ist es möglich, sich im AWO Begegnungszentrum „Strate Haus“ in Sachen digitaler Kompetenz weiterzubilden. Die Bürgerschaft hat dafür in Eigeninitiative ein Weiterbildungskonzept getreu dem Motto „Dialog trifft Digital ganz lokal“ entwickelt. Dabei findet die Kombination aus analogem Austausch in einer Gruppe und dem gemeinsamen digitalen Lernen hohen Anklang bei den Teilnehmern. Daraufhin wurde neben dieser Gruppenarbeit bereits mit dem „App-Café“ ein weiteres regelmäßiges Format entwickelt, bei dem der generationsübergreifende Austausch im Vordergrund steht.
Im Kreis Höxter wurden zusätzlich zur Einführung von DorfPages und DorfFunk weitere neun digitale Anwendungen von engagierten Bürgern aus 16 SCS-Modellorten entwickelt und erprobt. Dazu zählt beispielsweise der innovative „digitale Dorf-Hilferuf“, der Nachbarschaftshilfe auch digital ermöglicht, oder die Plattform „Kirche digital“, die Pfarrbriefe, 360 Grad-Kirchenansichten und Tageslosungen sowie Gruppen-Chats von Messdienern und Firmlingen ermöglicht. Zu neuen Anwendungen im Kreis Höxter gehört auch eine „Immobilien-Plattform“, die Neubürger im Dorf über die Online-Bereitstellung von hilfreichen Tipps zu ortsansässigen Handwerkern und möglichen Fördermitteln sowie über themenbezogenen Gruppen-Chats in der Bauphase digital begleitet und so schnell in das Dorfgeschehen integriert. Weitere Umsetzungsprojekte in Kooperation mit der Caritas Deutschland ist beispielsweise die Plattform „Das Sorgende Dorf“, mit der bestehende analoge Hilfsangebote für Menschen digital ergänzt werden sowie die „Smarte Bürgerhalle“, die es drei Dörfern ermöglicht, Licht, Heizung, Jalousien, Medien und Verbräuche digital zu steuern und so Kosten zu sparen. Zudem wurden im Kreis Höxter 18 Monate lang 140 Dorf-Digital-Experten ausgebildet und in den betreffenden Modellorten digitale Klassenzimmer eingerichtet, in denen nun selbst organisiert gut nachgefragte Kurse für die Dorfgemeinschaften stattfinden. Dieses Umsetzungsprojekt wurde im Dezember 2018 mit dem Innovationspreis des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung ausgezeichnet.
Bei der Abschlussveranstaltung kamen alle Akteure zusammen: Dr. Agnes Kriszan vom Zukunftszentrum Holzminden-Höxter stellte die Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluierung vor und erläuterte die acht formulierten Empfehlungen, die andere ländliche Regionen als Leitfaden für ihren eigenen Digitalisierungsprozess nutzen können. Diese und alle weiteren Erfahrungen sind in der Abschlussbroschüre „Projektergebnisse und Handlungsleitfaden“ aufgegriffen worden. Felix Matzke vom Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung ergänzte die wissenschaftliche Betrachtung des Projektprozesses von Smart Country Side um einen europäischen Vergleich und stellte die Ergebnisse der internationalen RELOCAL-Studie vor. Über die Aspekte der unterschiedlichen Programmpunkte tauschten sich Vertreter aus Modelldörfern, Politik, Verwaltung und Kooperationspartnern in kurzen Podiumsdiskussionen aus und reflektierten somit die Relevanz vom Smart Country Side. „Wir sind stolz, dass wir nun anderen Kreisen und Regionen einen Einblick in unsere Erfahrungen geben können“, zog Landrat Friedhelm Spieker am Ende der Veranstaltung ein positives Fazit. „In beiden Kreisen ist es uns gelungen, die Projektidee in einen langfristigen Prozess zu überführen und somit die Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Dies ist ein Erfolg für alle Beteiligten“. Beide Landräte dankten abschließend den Fördermittelgebern für die Stärkung des ländlichen Raums durch dieses Vorzeigeprojekt. Smart Country Side ist ein mit Mitteln aus dem „Europäischen Fonds für regionale Entwicklung“ (EFRE) gefördertes Kooperationsprojekt der Kreise Lippe und Höxter und eines von zehn Projekten des Handlungskonzeptes „OWL 4.0“. Die Abschlussbroschüre kann heruntergeladen werden unter www.innovation-land-lab.de.