Nieheim (jg). Wie geht es nach der schulischen Laufbahn weiter? Eine Frage auf die der Referent des Abends, Staatsminister a. D. sowie Professor Julian Nida-Rümelin, eingehen zu vermochte und sogleich Forderungen aufstellte. Auf Einladung des Vereins „Natur und Technik“ sowie des Kulturland Kreis Höxter war er in die Nieheimer Grundschule gekommen, um über den „Akademisierungswahn“ zu sprechen.

Petra Spier, Vorsitzende des Vereins „Natur und Technik“, begrüßte das Publikum, das aus Vertretern der heimischen Wirtschaft und Kommunen, aber auch aus Schülern und Studenten bestanden. Hinsichtlich des Vereins äußerte sich die Vorsitzende, dass es diesen schon lange gebe, allerdings er noch nicht den Bekanntheitsgrad vorweise, der gewünscht sei. Das Ziel des Vereins sei es, so Spier, das Kindern und Jugendlichen Ziele aufgezeigt werden sollen, die deren Potentiale wecken, um dies für die heimische Wirtschaft einsetzen zu können. 

„Deutschland habe zu wenig Hochschulabsolventen“

„Deutschland habe zu wenig Hochschulabsolventen“ - mit dieser Meldung des Magazins „Spiegel“ aus der vergangenen Woche begann Professor Nida-Rümelin, der zuvor aus seiner Vita berichtete, seinen Vortrag: Er habe zahlreiche Länder und Regionen bereits während seiner beruflichen Tätigkeit kennengelernt und wisse daher, wie es in Europa läuft. 

Das deutsche Bildungssystem sei weitaus besser, als sein Ruf, erklärte der Referent. „Festgestellt habe ich, dass das Niveau der Abschlüsse an deutschen Universitäten an die namhaften Universitäten weltweit herankommen.“

Berufliche Bildung sei auch Vielfalt: Eine Deindustrialisierung sei in Deutschland nicht gewollt. Der Arbeitsmarkt muss gleichgewichtig bleiben, sodass auch das Handwerk gestärkt werde. Auch müsse es die Möglichkeit für Auszubildende und Absolventen geben, sich schulisch entwickeln zu können.

„Wir haben in Deutschland zahlreiche Unternehmen, die Weltmarktführer mit ihren Produkten sind - sogenannte Hidden Champions“, betonte Rümelin. Allerdings sei es für diese Unternehmen schwierig, die Qualitäten weiterzuentwickeln, da der Fachkräftemangel auch diese Unternehmen bereits erreicht habe. 

Über drei Millionen Stellen werden von 2012 bis 2030 – nach derzeitiger Statistik, so Rümelin, nicht mit Fachkräften besetzt sein. Allerdings steige die Quote der Akademiker. Als weiteren Punkt nahm Nida-Rümelin die Entlohnung in öffentlicher Hand auf. Diese sei nicht mehr zeitgemäß und so forderte er, an den Entlohnungsgruppen zu arbeiten, um die Attraktivität dieser Arbeitsstellen wieder zu beleben. 

„Ehrliche Berufe müssen seitens der Politik und der öffentlichen Hand gefördert werden, damit hier eine Stärkung erfolgt, um den Fachkräftemangel, der bereits vorhanden ist, schnell abzuwenden.“

Nach seinem Vortrag stand Nida-Rümelin noch einer Gesprächsrunde mit den Geschäftsführern Jürgen Spier (Fahrzeugwerken Spier aus Bergheim), Carl-Otto Künnecke (Künnecke GmbH aus Holzminden) sowie Michael Urhahne (Berufskolleg Brakel) sowie Ina Wiesner und Lars Wittek, die sich entschieden haben eine handwerkliche Ausbildung zu machen und nicht studieren zu gehen, zu Verfügung.

Foto: Jörn George